
Die Bio-Lücke wächst – trotz Rekordnachfrage
Die Nachfrage nach biologisch produzierten Lebensmitteln steigt – sowohl in Österreich als auch international. Im heimischen Lebensmittelhandel legte der Bio-Umsatz 2023 um 3,7 Prozent zu, die Absatzmengen erreichten mit einem Plus von 5,5 Prozent ein neues Allzeithoch. Dennoch sinkt die Zahl der Biobetriebe. In Österreich gaben in den vergangenen zwei Jahren rund 1.000 Landwirte die Bio-Produktion auf. Heuer kamen nicht einmal 100 neue dazu – viel zu wenig, um die Lücke zu schließen.
Hohe Standards, geringe Anreize
Woran liegt’s? Der Aufwand für ökologische Landwirtschaft ist hoch: Auflagen, Dokumentation, Umstellungen – all das bedeutet Kosten. Gleichzeitig bleiben die Preisunterschiede zu konventioneller Ware gering. Besonders gravierend: Wer jetzt auf Bio umstellen möchte, geht vorerst leer aus – denn bis 2027 gelten keine neuen Förderprogramme. Derzeit ist der Umstieg finanziell unattraktiv.
Spätfolgen politischer Entscheidungen
Fachleute machen unter anderem frühere politische Versäumnisse verantwortlich. Unter Ex-Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger seien Förderungen gekürzt und Regionalität einseitig als “neues Bio” vermarktet worden. Die Auswirkungen zeigen sich jetzt.
Wettlauf um Bio-Rohstoffe verschärft sich
Weil es in Europa zu wenige Anbieter gibt, greifen Handelskonzerne vermehrt zu Importware aus Übersee. Damit wächst die Gefahr von Qualitätsproblemen und fehlender Rückverfolgbarkeit – besonders heikel für die Bäcker- und Konditoreibranche, die auf saubere, deklarierte Rohstoffe angewiesen ist.
Allianz für mehr Bio – auch über Grenzen hinweg
Um die Versorgung langfristig zu sichern, haben sich sieben Bio-Verbände aus Österreich, Deutschland und Südtirol zusammengeschlossen – darunter Bio Austria, Bioland, Demeter und Biokreis. Ziel: die Bio-Versorgung gemeinsam managen und Standards gegenseitig anerkennen. Eine einheitliche Dachmarke ist im Gespräch. „Es ist ein historischer Schritt“, sagt Barbara Riegler, Obfrau von Bio Austria.
Neue Wege mit „Next Bio“
Bereits 2022 startete Bio Austria das Gütesiegel Next Bio, das unabhängig von einer Verbandsmitgliedschaft verbandsübergreifende Biostandards absichern soll – etwa für Landwirte, Müller, Bäcker und Verarbeiter, die international arbeiten, aber keine zusätzliche Bürokratie möchten.
Spannungen mit Naturland in Österreich
Während die neue Allianz auf Kooperation setzt, verfolgt der deutsche Bio-Zertifizierer Naturland eigene Interessen. Der Verband hat sich mit Supermarktketten wie Aldi und Rewe starke Vertriebspartner gesichert und wirbt in Österreich aktiv um neue Partner – auch in der Bäckerei- und Fleischverarbeitung. Naturland zeigt laut Riegler derzeit kein Interesse an einer Zusammenarbeit mit der Bio-Allianz. Besonders brisant: Der Verband signalisiert Interesse am AMA-Biosiegel – was in der Branche als möglicher Angriff auf die heimische Bio-Identität verstanden wird.
Übersicht: Bio-Landwirtschaft in Österreich (Stand 2024)
Kennzahl | Wert |
---|---|
Anzahl Bio-Betriebe gesamt | ca. 24.000 |
Rückgänge seit 2022 | rund 1.000 Betriebe |
Neu hinzugekommene 2024 | unter 100 |
Bio-Anteil an der Landwirtschaft | rund 27 % |
Wertzuwachs Bio im LEH 2023 | +3,7 % |
Absatzsteigerung Bio 2023 | +5,5 % |
Anteil Bio-Getreideverarbeitung | stark rückläufig |
Wichtige Bio-Verbände | Bio Austria, Demeter, Bioland, Biokreis |
Aktive Zertifizierer in Österreich | Bio Austria, Naturland, Austria Bio Garantie, Lacon |
Was bedeutet das für das Bäckerhandwerk?
Für BäckerInnen, KonditorInnen und Cafetiers ist die Qualität und Sicherheit von Rohstoffen zentral. Die Bio-Knappheit trifft vor allem kleinere Handwerksbetriebe, die auf verlässliche Lieferketten angewiesen sind. Gleichzeitig wächst das Interesse der KonsumentInnen an nachhaltigem Genuss. Eine stabile Bio-Versorgung ist daher nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich entscheidend – für Direktvermarkter ebenso wie für Großbäckereien.