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Warum viele Menschen nach Supermarkt­brot Bauchbeschwerden haben – und was Bäcker dagegen tun können und längst tun

Immer mehr Konsumenten klagen über Blähungen oder Schmerzen nach dem Brotverzehr. Der Teigprozess bei industriellen Broten könnte der Schlüssel zur Lösung sein.

Wenn Brot drückt – woher kommen Beschwerden?

Wer in Österreich eine Scheibe Toast, ein günstiges Supermarktbrötchen oder Tiefkühl­brot isst und danach Bauchschmerzen, Blähungen oder Völlegefühl verspürt, ist schnell ratlos. Der Verdacht fällt oft auf Gluten oder Weizenunverträglichkeit – doch neuere Forschung weist in eine andere Richtung: Kurzkettige Zucker (FODMAPs) und die Art der Teigführung könnten die wahren Auslöser sein.

FODMAPs: unsichtbare Belastung im Brot

FODMAP steht für fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und Polyole – kurze Zuckerarten, die im Dünndarm oft nicht vollständig aufgespalten werden und so in den Dickdarm gelangen. Dort sorgen Darmbakterien für Fermentation, Gasebildung und damit für Druck, Schmerzen oder Blähungen. Besonders bei Menschen mit Reizdarmsyndrom reagiert der Körper sensibel auf diese Stoffe.
Im Brot kommen FODMAPs vor allem aus Getreide wie Weizen oder Roggen – aber allein die Getreidewahl entscheidet nicht über die Verträglichkeit.

Teigführung statt Getreideart: entscheidender Faktor

Eine aktuelle Studie mit österreichischer Beteiligung (Universität Wels / FH Oberösterreich) analysierte verschiedene Backprodukte und Sauerteige und zeigte: Mit gezielter Fermentation lassen sich FODMAP-Gehalte deutlich reduzieren.

Der Schlüssel liegt in der Fermentationsdauer:

Bei industriellen Broten wird oft nur mit kurzer Gärzeit – manchmal rund eine Stunde – gearbeitet.

In handwerklichen Verfahren mit längerer Ruhe nutzen Hefen und Milchsäurebakterien die Zeit, um FODMAPs abzubauen.

Je länger und kontrollierter die Fermentation, desto niedriger wird der verbliebene FODMAP-Anteil.

Eine andere Untersuchung zeigte: Im Vergleich zur kurzen Führungszeit war nach 4,5 Stunden bereits ein Großteil der FODMAPs abgebaut, und bei sehr langen Gehzeiten sank der Anteil auf nur noch etwa zehn Prozent.

Vorteile der langen Teigführung
Qualität, Geschmack und Bekömmlichkeit

Eine verlängerte Teigruhe bringt nicht nur gesundheitliche Vorteile, sondern auch sensorische und ernährungsphysiologische:

Aroma-Entwicklung durch natürliche Säurebildung

Bessere Frischhaltung

Höhere Mineralstoffverfügbarkeit (z. B. Eisen, Zink)
Abbau von Phytinsäure, welche Mineralien im Vollkorn bindet
Reduzierter FODMAP-Gehalt

In Österreich setzen bereits viele Handwerksbetriebe diese Idee in die Praxis um – etwa die Bäckerei Ringhofer, die mit über 42 Stunden Teigführung wirbt.  Die Bio-Bäckerei Brotocnik im Waldviertel lässt ihre Sauer- und Vorteige zwischen zwölf und 48 Stunden reifen. Auch die Bäckerei Hager bäckt ein Sauerteigbrot mit 48 Stunden Teigruhe und viel weiter Betriebe in Österreich haben sich längst dieser gesunden Vorgangsweise verschrieben. Diese Methoden sind besonders interessant für Bäcker, Konditoren, Cafetiers und auch für Landwirte mit Getreidevermarktung – denn sie vereinen gesundheitliche Verträglichkeit mit handwerklichem Anspruch.

Was Bäcker & Konditoren wissen sollten
Technische und wirtschaftliche Herausforderungen

Längere Teigführungen verlangen:

Geregelte Temperatur- und Feuchtigkeitsführung, um Fehlgärungen zu vermeiden

Platz- und Zeitplanung in der Backstube

Wahl geeigneter Mikroorganismen (z. B. spezifische Milchsäurebakterien) zur Förderung des FODMAP-Abbaus

Produktionskosten-Evaluation, da längere Lagerungszeiten höhere Fixkosten bedeuten

Trotzdem sehen einige Betriebe in Österreich diese Mehrkosten als lohnende Investition in Qualität und Verträglichkeit.

Kommunikation gegenüber Endkunden

Für Bäcker, Konditoren, Chocolatiers oder Bonbonhersteller bietet sich eine transparente Kommunikation an:

Hinweis auf „längere Teigreifung / Verdauungsfreundlich / schonende Fermentation“

Differenzierung zu Supermarktbrot oder Massenware

Aufklärung, dass es nicht nur auf das Getreide, sondern auf die Verarbeitung ankommt

Ernährungspraxis in Österreich

Der Getreideverbrauch pro Kopf in Österreich beträgt etwa 2,9 kg Brot und 0,6 kg Teigwaren monatlich. Die Low-FODMAP-Diät (FODMAP-arme Ernährung) wird als Maßnahme bei Reizdarmbeschwerden zunehmend diskutiert, auch in österreichischen medizinischen Kreisen Diese Entwicklungen eröffnen für Bäckereien, Konditoreien, Cafés und Fachpublikum Chancen, sich durch gesundere Backprozesse abzuheben.

Was daraus folgt

Viele Beschwerden nach dem Brotverzehr lassen sich wohl weniger durch das Getreide selbst erklären als durch mangelnde Zeit im Teigprozess. Für das österreichische Bäcker- und Konditorenhandwerk ergibt sich damit ein klarer Impuls: Wer Qualität, Geschmack und Bekömmlichkeit vereinen will, sollte die Teigführung neu überdenken. Betriebe mit längerer Reifezeit bieten ihren Kunden nicht nur bessere Verträglichkeit, sondern auch ein differenzierendes Qualitätsversprechen.

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