Zwei Analysen zeigen, wie stark sich die Weihnachtsbäckerei verteuert hat
Die Adventszeit rückt näher und mit ihr der Duft frisch gebackener Vanillekipferl, Zimtsterne und Linzer Augen. Doch die vertraute Tradition hat heuer eine spürbar teurere Grundlage. Gleich zwei aktuelle Auswertungen – eine des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO in Kooperation mit Der Standard und eine des Momentum Instituts – zeigen, wie deutlich die Preise für typische Weihnachtszutaten in den vergangenen Jahren gestiegen sind. Beide Analysen beleuchten denselben Trend aus unterschiedlichen Perspektiven und zeichnen ein Bild, das für Privatpersonen wie für das Lebensmittelhandwerk gleichermaßen relevant ist.
WIFO und Der Standard: Die individuelle „Keksinflation“
Das WIFO hat gemeinsam mit Der Standard einen neuen Inflationsrechner veröffentlicht, der die Preisentwicklung verschiedener Kekszutaten seit 2015 sichtbar macht. WIFO-Ökonom Asjad Naqvi hat dafür Eurostat-Daten nach einzelnen Zutatengruppen – darunter Butter, Mehl, Zucker, Milch, Honig, Nüsse oder Gewürze – gewichtet und mit typischen Rezepturen abgeglichen. Herausgekommen ist eine Visualisierung, die zeigt, wie unterschiedlich stark Klassiker wie Vanillekipferl, Linzer Augen, Lebkuchen oder Zimtsterne von der Teuerung betroffen sind.
Die Daten deuten klar darauf hin, dass Rezepte mit hohem Butter- oder Mehlanteil besonders stark unter Druck geraten sind. Vanillekipferl oder Linzer Augen, deren Basis aus genau diesen Zutaten besteht, verzeichnen größere Preissteigerungen als etwa Lebkuchen, deren Honiganteil über die vergangenen Jahre vergleichsweise stabil geblieben ist. Zimtsterne, die stark auf Mandeln basieren, liegen ebenfalls im moderaten Bereich.
Doch die Analyse geht über reine Zutatenpreise hinaus. In der Auswertung von Der Standard erklärt Journalist Michael Matzenberger, warum die Teuerung je nach Produkt stark variiert. Manche Lebensmittel sind wesentlich energie- oder personalintensiver in der Herstellung, andere folgen globalen Rohstoffpreisen, die sich immer wieder abrupt verändern. WIFO-Agrarökonom Franz Sinabell beschreibt in diesem Zusammenhang das Phänomen der asymmetrischen Preisanpassung. Während steigende internationale Weizenpreise die Mehlpreise in Österreich relativ rasch nach oben treiben, spiegeln sich sinkende Preise am Rohstoffmarkt nur abgeschwächt und zeitverzögert im Handel wider. Grund dafür ist, dass Transportkosten, Mieten und Löhne inzwischen fest in den Kalkulationen verankert sind und Preisrückgänge daher nicht im selben Ausmaß weitergegeben werden.
Für Bäckereien und Konditoreien sind diese Mechanismen nicht neu. Dennoch zeigt die WIFO-Rechnung eindrucksvoll, wie stark unterschiedliche Sorten von denselben Preisbewegungen betroffen sein können. Das Tool ermöglicht es zudem, eigene Rezepte nachzubilden und die Zutaten individuell zu gewichten – ein Ansatz, der nicht nur für Haushalte, sondern auch für das professionelle Backhandwerk interessante Blickwinkel eröffnet.
Momentum Institut: Die „Keksflation“ liegt deutlich über der allgemeinen Inflation
Während das WIFO die Teuerung auf Rezeptbasis analysiert, nimmt das Momentum Institut den breiteren statistischen Rahmen in den Blick. Dessen neu veröffentlichte Zahlen zeigen, dass die Preise für typische Kekszutaten seit 2021 stärker gestiegen sind als die allgemeine Inflation und auch stärker als die Nahrungsmittelpreise insgesamt. Die Analyse vergleicht die Preisentwicklung zwischen September 2021 und September 2025 – vier Jahre, die durch Energiekrise, gestörte Lieferketten und anhaltende Kostensteigerungen geprägt waren.
Die allgemeine Inflation beträgt für diesen Zeitraum 24,2 Prozent. Lebensmittel insgesamt liegen bereits bei 28,5 Prozent. Doch die Kekszutaten heben sich noch einmal deutlich ab: Ihre Teuerungsrate beträgt 33,4 Prozent und damit ein Drittel mehr als noch vor vier Jahren. Besonders stark gestiegen sind zentrale Grundzutaten wie Zucker, Schokolade, Butter und Schlagobers. Auch Mehl, Gewürze, Margarine, Milch und Eier verzeichneten überdurchschnittliche Anstiege, während nur wenige Produkte wie Marmelade, Nüsse oder Trockenobst moderater zulegten.
In der Interpretation dieser Zahlen weist Momentum-Forscher Leonard Jüngling darauf hin, dass die „Keksflation“ ein Beispiel dafür ist, wie ungleich Teuerung Haushalte treffen kann. Gerade einkommensärmere Familien, die ohnehin größere Teile ihres Budgets für Lebensmittel ausgeben, spüren die höheren Preise besonders stark. Für manche könne das bedeuten, dass das gemeinsame Keksebacken – eine Tradition, die sonst generationsübergreifend verbindet – heuer zur finanziellen Herausforderung wird.
Was bedeutet das für das Lebensmittelhandwerk?
Zusammengefasst zeigen die beiden Analysen ein klares Bild: Die Weihnachtsbäckerei ist teurer geworden, und zwar deutlich stärker als viele andere Warenkörbe des täglichen Lebens. Für das Backhandwerk hat das mehrere Konsequenzen. Die Kostenstrukturen verändern sich weiter, Preisanpassungen müssen gut erklärt und nachvollziehbar vermittelt werden, und die Nachfrage könnte sich – abhängig vom Haushaltsbudget – in Richtung günstigerer Sorten oder kleinerer Packungsgrößen verschieben.
Gleichzeitig weist die WIFO-Analyse darauf hin, dass sich die Lage kaufkraftbereinigt teilweise stabilisiert hat. Durch Lohn- und Pensionserhöhungen sind manche Rezepte heute wieder ähnlich leistbar wie in den Jahren vor der Inflationskrise, zumindest wenn man die Arbeitszeit pro Zutatenkorb als Vergleichsmaßstab heranzieht. Ökonomisch betrachtet schließen sich beide Befunde also nicht aus: Die Zutaten sind teurer geworden, doch ein Teil der Haushalte kann diese Mehrkosten besser abfedern als andere.
Für Bäckereien und Konditoreien bleibt entscheidend, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen. Transparente Kommunikation über Rohstoffkosten, eine flexible Sortimentsgestaltung und die Weitergabe von Preissignalen an Kundinnen und Kunden könnten heuer wichtiger sein als in früheren Jahren. Sicher ist jedenfalls: Der Duft nach frisch gebackenen Vanillekipferln wird auch heuer wieder durch viele Backstuben ziehen. Nur der Weg dorthin ist teurer geworden.





