Wenn Natalie kommt, geht die Sonne auf – sagen jene, die mit ihr arbeiten. Dieses Strahlen trägt die Chefin der Bäckerei und Konditorei Frühwirth nicht nur im Herzen, sondern auch im Logo ihres Betriebs: Die Sonne und ihre eigene Unterschrift stehen dort für Handwerk mit Persönlichkeit. 2021 hat die 1992 geborene Unternehmerin den Familienbetrieb übernommen – und führt ihn seither mit ruhiger Stimme, sanfter Hand und klarer Zielstrebigkeit in die Zukunft.

Handwerk in die Wiege gelegt
Bäckermeister Konrad Frühwirth gründete 1989 die Bäckerei in Altmelon im Waldviertel – mit einem guten Freund an seiner Seite, der ab dem ersten Tag bis zu seiner Pensionierung vor eineinhalb Jahren die Backstube leitete, und seiner Frau Maria, einer passionierten Konditormeisterin. Gemeinsam legten sie den Grundstein für ein Unternehmen, das bis heute für ehrliches Handwerk, Qualität und Beständigkeit steht.
Backen liebt Natalie seit Kindesbeinen an. Schon als Kinder standen sie und ihr kleiner Bruder mit Papa Konrad frühmorgens am Sonntag in der Backstube, um für Mama Maria frisches Frühstücksgebäck zu zaubern. „Die Bäckerei und Konditorei meiner Eltern zu übernehmen war seit Kindheitstagen ein großer Herzenswunsch“, erzählt Natalie Frühwirth.
Heute beschäftigt die Bäckerei und Konditorei Frühwirth rund 40 Mitarbeiter. Neben der Backstube in Altmelon betreibt das Familienunternehmen Filialen in den Mühlviertler Gemeinden Königswiesen und Liebenau – jeweils mit gemütlichem Kaffeehaus, das zum Verweilen einlädt. Trotz Wachstums und moderner Strukturen ist eines geblieben: das familiäre Miteinander, das den Betrieb seit über drei Jahrzehnten prägt.

Ein Rückschlag als Booster für die Zukunft
Die Ausbildung von Natalie Frühwirth startete in der Tourismusschule in Krems. Danach zog es sie zunächst als Konditorgehilfin in die Wiener Hofzuckerbäckerei L. Heiner, wo sie wertvolle Erfahrungen in der Welt der Patisserie und Konditorei sammeln konnte. Wieder zu Hause war klar: Am Bäcker- und Konditorhandwerk führt kein Weg vorbei. Lehrabschluss, Meisterschule in Wels, 2013 Abschluss als Bäcker-und Konditormeisterin mit Auszeichnung folgten.

Doch dann bremste eine Mehlstauballergie kurzfristig ihren Elan – die Entscheidung, den Betrieb zu übernehmen, stand plötzlich auf der Kippe. Natalie Frühwirth ließ sich jedoch nicht von ihrem Weg abbringen und absolvierte ein Bachelorstudium für Lebensmittel- und Biotechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien. In ihrer Bachelorarbeit beschäftigte sie sich mit Backversuchen zu verschiedenen Weizenzüchtungen, was ihr ein tiefes Verständnis für die Rohstoffe vermittelte. „Mir war dann endgültig klar, ich kann ohne Bäckerei nicht sein“, so Natalie. „Rückblickend betrachtet war diese Zeit besonders wertvoll. Ich habe meinen fachlichen Horizont erweitert und kann dieses Wissen heute nutzen. Und schließlich ist auch die Allergie wieder besser geworden.“

Die Ausbildung zur Brotsommelière
Beim ersten Brotsommelier-Lehrgang in Österreich 2022 war Natalie Frühwirth mit dabei – das bereits als Chefin des Unternehmens. Von ihrem ohnehin bis zur letzten Minute ausgefüllten Tag knipste sie sich die nötige Zeit für diese aufwendige Ausbildung ab. „Ich bin beim Brotsommelier-Lehrgang zu einem richtigen Brotfan geworden. Davor gehörte meine Liebe mehr dem Kleingebäck“, erzählt Natalie. In ihrer Projektarbeit entstand das Roggenbrot „Hoamat“, in dem die Bäckerin ihre Heimat – die Grenzregion Wald- und Mühlviertel – geschmacklich eingefangen hat. Ihr erworbenes Wissen als Brotsommelière nutzt sie seither nicht nur im eigenen Betrieb, sondern gibt es auch in Backkursen und Vorträgen weiter.
Wissen weitergeben
Einen Tag in der Woche verbringt Natalie Frühwirth in Wels. Dort unterrichtet sie an der Meisterschule Rohstoffkunde und Verfahrenstechnik und vermittelt Schülern der 1. Klasse der HTL LMT grundlegendes Bäckerwissen in der Backstube. Nachwuchsarbeit und Wissen weiterzugeben, sind der Unternehmerin ein echtes Anliegen – im Klassenzimmer ebenso wie im eigenen Betrieb. In der Bäckerei und Konditorei Frühwirth werden derzeit zehn Lehrlinge ausgebildet: sieben in der Backstube, zwei im Verkauf und einer im Büro. Damit macht der Nachwuchs rund ein Viertel der gesamten Belegschaft aus – alle werden, wie das gesamte Team, individuell gefördert und gezielt weiterentwickelt. Regelmäßig lädt die Bäckerei zudem Schulklassen in den Betrieb ein, der sich für Kunden, Besucher und Mitarbeiter transparent und authentisch präsentiert. Das Engagement zeigt Wirkung: Trotz Fachkräftemangels hat Natalie Frühwirth derzeit keine Personalsorgen. Auch als Referentin ist sie gefragt – etwa auf der Kuchenmesse in Wels oder beim kürzlich zu Ende gegangenen Schokoladensommelier-Lehrgang, wo sie ein Brot- und Schokolade-Pairing präsentierte. Dabei wurden verschiedene Brotsorten mit unterschiedlichen Schokoladenaufstrichen kombiniert und verkostet – eine Verbindung, die Handwerk, Sensorik und Kreativität vereint.
„Fast“ reibungslose Übergabe
Am 1. Jänner 2021 wechselte Konrad Frühwirth ins Angestelltenverhältnis und übergab das Zepter an seine Tochter Natalie. Viele Agenden waren klar definiert, manches brauchte Zeit zur Abstimmung. „Ich habe zu Beginn nicht gewusst, was meine Eltern alles gemacht haben“, erzählt Natalie. Alle Abläufe wurden akribisch aufgearbeitet, Zuständigkeiten eindeutig zugewiesen, Aufgaben verteilt, sodass schlussendlich alles in der Hand der neuen Chefin reibungslos zusammenläuft. Strukturiertes Arbeiten ist der Unternehmerin besonders wichtig. Ihr liebstes Arbeitsinstrument? Ein klassischer Buchkalender, in dem alle Termine – von externen bis zu täglichen Besprechungen mit Mitarbeitern – festgehalten werden. „Was da drinnen steht, passiert auch, und ich kann nichts übersehen“, so Frühwirth.
Doch Natalie ist nicht nur die Chefin des Unternehmens, sie ist auch sein Aushängeschild. Nach fundierter Beratung durch Marketingexperten hat sie sich bewusst dafür entschieden, dass Werbung und Marketing über sie als Person laufen sollen. Professionelle Pressefotos wurden angefertigt, der Firmenauftritt inklusive Logo ist online sowie offline auf Natalie zugeschnitten.
Die Weichen für die Zukunft sind gestellt
Eine der ersten und nachhaltigsten Entscheidungen als junge Geschäftsführerin war die Installation modernster CO2-Kältetechnologie für Langzeitführung und Gärverzögerung. „Geschmack und Verträglichkeit von Brot und Gebäck haben sich deutlich gesteigert, wie unsere Kunden bestätigen“, erläutert Frühwirth. „Da die Teige mehr Zeit zum Reifen haben, gewinnen auch die Mitarbeiter wertvolle Stunden in der nächtlichen Produktion und man ist viel flexibler in der Arbeitseinteilung.“
Ein weiteres Großprojekt ging die Unternehmerin 2023 an: Die Filiale in Liebenau wurde in einem Nahversorgungszentrum mit 30 Sitzplätzen im Innenbereich und erweiterter Gastronomie neu gebaut. Eine große Investition wurde auch für den Online-Shop getätigt, der direkt mit dem Bestellsystem verknüpft ist. Hier können Kunden Produkte – insbesondere vor Feiertagen – bestellen, in der Filiale abholen oder auch liefern lassen. Natalie Frühwirth sieht den Online-Shop als weiteren Schritt in Richtung Transparenz des Unternehmens. „Zu unseren Kunden zählen vorwiegend Familien, Schüler und Senioren. Die Altersgruppe 15 bis Anfang 30 fehlt allerdings weitgehend. Mit dem Online-Shop können wir zeigen, wie viele tolle Köstlichkeiten wir anbieten – und vielleicht Kunden den Weg zum Bäcker wieder schmackhaft machen“, so Marketing-Profi Frühwirth. Sie räumt aber ein, dass es noch viel Arbeit und Anstrengung braucht, bis der Shop ihren Ansprüchen entspricht.“
Sanfte Expansion
Mit drei Standorten im Wald- und Mühlviertel sieht Natalie Frühwirth den Betrieb gut aufgestellt. Dazu wird täglich ins Gai gefahren, bei drei Touren werden pro Tour 60 bis 120 Haushalte beliefert. „In unserer ländlichen Gegend sind große Filialexpansionen nicht unbedingt zielbringend“, so Frühwirth. Andere Wege, wie zusätzliche Touren beim Gaifahren, ein Ausbau des B2B-Geschäfts, verstärkte Präsenz in Handel und Gastronomie, sieht sie als zielführender an. Ausschließen möchte die Unternehmerin neue Standorte jedoch nicht, aktuell ist auch einer in Planung. „Ich möchte den Betrieb so breit wie möglich aufstellen. Damit ist er gut ausgelastet, die Arbeitsplätze sind gesichert – und wenn einmal ein Geschäftsbereich nicht so gut läuft, können wir das auch verkraften.“

Jeder am richtigen Platz
Andere Wege als Papa Konrad geht Natalie Frühwirth in der Mitarbeiterführung und -entwicklung. Strukturiert, wie alles im Unternehmen, seit die neue Chefin am Ruder ist, wird beispielsweise in Gesprächen und mittels Fragebogen erhoben, welchen Platz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einnehmen möchten und können. „Ob der eine nur vorgegebene Aufgaben abarbeiten oder der andere an der Entwicklung aktiv teilhaben möchte – für jeden und jede findet sich der geeignete Platz und damit mehr Zufriedenheit“, ist Natalie überzeugt, die zur eigenen Entlastung Führungsebenen aufgebaut hat.
Mit dem Lehrmädchen im Büro wird Telefonieren geübt, mit Verkäuferinnen und Kellnerinnen die Kunden- und Gästeansprache durchgearbeitet. Natalie Frühwirth kann ihre umfassende Ausbildung in nahezu jedem Geschäftsbereich einbringen – und sie kann auf jeder Position, von der Backstube über Verkauf und Büro bis zum Gaifahren, einspringen, sollte einmal Personalknappheit herrschen. „Das gibt mir Sicherheit, und das hat bereits mein Papa so gehandhabt.“
Tägliche Routine mit zwei Türen
In der Früh dreht Natalie Frühwirth eine Runde im Betrieb. „Ich erfahre dabei, was es Neues gibt, wie es allen geht, und kann für alle da sein“, so die Chefin. Sie merkt dazu an, dass sie das einfach braucht, um „rund zu laufen“. Danach werden die Tagesaufgaben nach den Aufzeichnungen im Bullet-Journal abgearbeitet. Backstube, Verkauf, Büro, Lieferung, Kundengespräche – der eine oder andere Arbeitstag kann dann schon einmal an die 20 Stunden dauern.
Um dieses Pensum zu bewältigen, ohne zu viel Raubbau an der eigenen Gesundheit zu betreiben, bedarf es einer gehörigen Portion Selbstdisziplin – und auch die hat sich Natalie Frühwirth angeeignet. Betritt sie am Abend ihre Wohnung, die sie 2021 gemeinsam mit ihrem Freund Andreas durch den Umbau des Dachbodens im Elternhaus geschaffen hat, dann ist wirklich Feierabend. „Zwischen Arbeit und Privatleben müssen für mich immer mindestens zwei Türen sein, sonst ist Abschalten nicht möglich“, ist Natalie überzeugt. Entspannung findet sie beim Lesen, Energie tankt sie bei Konzerten oder beim Feiern.
Gestrafftes Sortiment
Wann immer es die Zeit zulässt, steht die Chefin selbst in der Backstube. Am liebsten tüftelt sie an neuen Rezepturen und entwickelt Brot und Gebäck, jedes mit eigenem Charakter – wie etwa ihr aktuelles Lieblingsbrot, das Hochland-Vollkornbrot, eine Roggen-Dinkel-Mischung.
Das Sortiment wurde seit der Übernahme gestrafft: Höhere Stückzahlen bei weniger Produkten sorgen für mehr Wirtschaftlichkeit, saisonale Produkte ergänzen das Stammsortiment.
In der Konditorei wird ebenfalls ständig experimentiert. Gemeinsam mit Mama Maria und ihrem Team wird immer wieder Neues ausprobiert. Schokotigerin Natalie hat in der Meisterschule eine Whiskeypraline kreiert – diese ist bis heute im Sortiment. Aktuell dürfen es für die Chefin gerne Cheesecake und Cookies sein. Was auch immer neu entwickelt wird: Ins Sortiment kommt nur, was wirtschaftlich produziert werden kann.

Natalie Frühwirth: Engagierte Netzwerkerin
Allein an der Spitze ihres Unternehmens braucht Natalie Austauschmöglichkeiten mit Branchenkolleginnen – und sie hat sich dazu bereits ein stabiles Netzwerk aufgebaut. Wo immer sie kann, nimmt sie an Veranstaltungen teil und gestaltet ihr Umfeld aktiv mit. Nach dem Motto „Nicht jammern und schimpfen, sondern machen“ engagiert sich Natalie Frühwirth etwa in der niederösterreichischen Landesinnung der Lebensmittelgewerbe für Bäcker und Konditoren. Sie ist bei Wettbewerben in der Jury und seit Juni Beirätin im Vorstand der VDB – eine Rolle, die sie als große Ehre empfindet.
Auch außerhalb des Handwerks ist Natalie Frühwirth engagiert. „Ich war schon immer in vielen Vereinen. Das gemeinsame Schaffen und Organisieren gefällt mir.“ Wen wundert es da, dass sie auch Gemeinderätin in Altmelon ist.
Neugier und Wissensdurst treiben sie an, auch in ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Als heuer die erste Brotsommelier-Weltmeisterschaft der Geschichte ausgetragen wurde, war Natalie Frühwirth mit dabei und qualifizierte sich in einem mehrstufigen Vorentscheid für die Endrunde. „Die Vielfalt, die ich erleben durfte, war beeindruckend. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Weltmeisterschaft in zwei Jahren. Denn dieser Austausch, diese Atmosphäre – das war einfach unvergesslich“, so Natalie, die voll neuer Energie und Ideen nach Hause zurückkehrte. Dass die Teilnahme an solchen Veranstaltungen oder auch ein paar Tage Urlaub möglich sind, verdankt sie ihrem Team – und den Strukturen, die sie dafür geschaffen hat.
Zukunftsperspektiven für die Bäckerei und Konditorei Frühwirth
Die Zukunft der Bäckerbranche sieht Natalie Frühwirth durchwachsen. Vor allem im ländlichen Raum fehlen viele Nachfolger. Für kleinere und mittlere Bäckereien gilt es, ihre Arbeit noch transparenter zu machen, ihre tollen Produkte stärker in den Mittelpunkt zu rücken und alternative Vertriebswege zu finden. Auch der soziale Fokus ist der Unternehmerin wichtig. „Viele Menschen sind darauf angewiesen, dass wir zu ihnen kommen.“ Von der Politik wünscht sie sich mehr Unterstützung – und vor allem weniger bürokratische Hürden. Im eigenen Betrieb ist es das Ziel, jeden Tag eine Kleinigkeit zu verbessern – natürlich strukturiert, wie könnte es anders sein.
Vor den Vorhang
Das Engagement, die Professionalität und die Kompetenz der jungen Unterneherin sind längst kein Geheimnis mehr. Im Gegenteil: Natalie Frühwirth steht in der Endrunde des Brigitte-Bierlein-Frauenpreises, der erfolgreiche Frauen unter 35 Jahren für ihre herausragenden unternehmerischen oder innovativen Leistungen auszeichnet. Über 100 Bewerbungen sind für den Preis eingegangen – mit vielen tollen Geschichten und beeindruckenden Laufbahnen. Daraus wurden die 35 besten Kandidatinnen für die Endrunde ausgewählt – mit dabei: Natalie Frühwirth. Wir drücken die Daumen!
Autorin: Hilde Resch




